Die Grundsteuerreform in Karlsruhe 2022/2025

Warum wird die Grundsteuer geändert und ab wann gelten die neuen Werte

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2018 entschieden, dass die bisherige Einheitsbewertung nicht verfassungskonform ist, da gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt werden. Bundestag und Bundesrat haben im November 2020 die Grundsteuer per Bundesgesetz neu geregelt, beschlossen wurde dabei auch, dass die Länder vom Bundesgesetz abweichen und ein eigenes Modell für die Grundsteuer einführen können. Baden-Württemberg hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und sich per Landesgrundsteuergesetz am 4. November 2020 für ein modifiziertes Bodenwertmodell entschieden.

Unterschieden wird in Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) und Grundsteuer B (betriebliche und private Grundstücke). Zusätzlich können die Kommunen ab 2025 mit der Grundsteuer C eine höhere Steuer für unbebaute Baugrundstücke festlegen. Etwas mehr Aufwand wird es bei den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken geben, deshalb wird im Folgenden nur auf Standard Wohn-/Gewerbegrundstücke eingegangen.

Die alte Einheitsbewertung gilt übergangsweise noch bis zum 31. Dezember 2024, ab 1. Januar 2025 wird die Steuer nach dem neuen Landesgrundsteuergesetz erhoben.

Welche Informationen werden für die Grundsteuererklärung in Karlsruhe benötigt

In der Presse sind zurzeit viele Horrormeldungen zu lesen, was auf die Grundstückseigentümer mit der Grundsteuerreform alles zukommt. Das mag in einigen Bundesländern stimmen, aber Baden-Württemberg hat sich für ein radikal einfaches, modifiziertes Bodenwertmodell entschieden. Dabei wird nicht mehr berücksichtigt, wie das Grundstück bebaut ist. Ein edler Neubau kostet genau so viel Grundsteuer wie ein komplett sanierungsbedürftiger Altbau. Ob das tatsächlich gerecht ist, wird sich erst nach Festlegung des neuen Hebensatzes zeigen. Ich rechne heute schon damit, dass es zahlreiche Klagen geben wird.

Die Grundsteuererklärung muss zwischen 01.07. und 31.01.2023 (wurde Mitte Oktober um 3 Monate verlängert) abgegeben werden, die Übermittlung muss online erfolgen, nur in Ausnahmefällen ist eine schriftliche Erklärung möglich. Die Übermittlung geht über das kostenlose E-Portal der Finanzämter Elster. Die Formulare sind seit 1. Juli 2022 online, für das Versenden der Steuererklärung benötigen Sie ein Zertifikat. Falls Sie bisher Elster noch nicht nutzen, können Sie sich gleich bei Elster registrieren, die Freischaltung kann schon mal zwei Wochen dauern.

TIPP: Nach Auskunft eines Finanzamt-Insiders rechnet man jetzt schon damit, dass nur 50 bis 60 % der Grundsteuererklärungen tatsächlich über Elster eingereicht werden. Wenn Sie z.B. keinen privaten Computer (wohl aber Smartphone, Tablet und Geschäfts-PC) haben, können Sie die Steuererklärung auf Antrag auch schriftlich abgeben.

Benötigt werden folgende Informationen:

  • Das Aktenzeichen Ihrer Immobilie beim Finanzamt, Ihre Steuer-Nummer und Steuer-ID. Das Aktenzeichen finden Sie auf dem Einheitswertbescheid, bei vermieteten Immobilien auch in Ihrer Steuererklärung. Immobilieneigentümer in Baden-Württemberg wurden ab Ende Mai vom Finanzamt angeschrieben werden, mit dem Schreiben wurden Aktenzeichen, Gemarkung und Flurstück-Nr. mitgeteilt.
  • Angaben zum Grundstück. Adresse, Gemarkung, Flur, Flurstück, Grundbuchblatt Nr., Grundstücksfläche und - bei Eigentumswohnungen zusätzlich Miteigentumsanteil und Datum der Grundbuch-Eintragung - finden Sie in einem Grundbuchauszug, Ihrem Kaufvertrag für die Immobilie oder bei Eigentumswohnungen auch in der Teilungserklärung. Wenn Ihnen die Daten nicht vollständig vorliegen, können Sie gleich beim Grundbuchamt Maulbronn einen aktuellen, unbeglaubigten Grundbuchauszug für 10 € bestellen (geht auch per Mail an poststelle@gbamaulbronn.justiz.bwl.de)
  • Der Bodenrichtwert zum 01.01.2022. Seit 1. Juli 2022 finden Sie die neuen Bodenrichtwerte beim Gutachterausschuss Karlsruhe, beim Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg BORIS BW finden Sie sogar noch weitere Angaben zur Grundstücksgröße und zur Flurstücks-Nummer.
  • Die Nutzungsart. Abgefragt wird, ob die Immobilie voll oder überwiegend wohnlich bzw. voll oder überwiegend gewerblich genutzt wird.
  • Kulturdenkmal. Falls Ihre Immobilie denkmalgeschützt ist, muss der Rabatt (10 %) in einem separaten Formular GW4 beantragt werden. Eine unverbindliche Aufstellung der Kulturdenkmale in Karlsruhe finden Sie in der Datenbank der Kulturdenkmale.

TIPP: Die Formulare sind - wie schon fast erwartet - bürokratisch und unnötig kompliziert. Hier ein paar Ausfüllhilfen:
- Gemarkung: z.B. Karlsruhe
- Flur: z.B. 89.66 - lässt sich nicht in das Formular eingeben, da das Feld Stand 01.07. auf 3 Stellen begrenzt ist. Es gibt dann zwar eine Warnung, aber das Feld kann auch leer bleiben
- Grundstücksgröße: z.B. 2 a 44 m² - Eintrag 244 m²
- Flurstück: z.B. 4464/2 - Eintrag Flurstück Zähler = 4464, Flurstück Nenner = 2
- Miteigentumsanteil bei Eigentumswohnungen: z.B. 150/1000, Eintrag im Feld "Zur wirtschaftlichen Einheit gehörender Anteil" Zähler = 150, Nenner = 1000
- Und jetzt kommt der Hammer: In Anlage GW2 muss noch einmal die Grundstücksfläche eingetragen werden, bei Eigentumswohnungen ist das nur die anteilige Grundstücksfläche. Obwohl die Daten schon vorher eingegeben wurden, muss man das mit dem Taschenrechner ausrechnen, im Beispiel also 244 m² x 150/1000 = 36,6 m², abgerundet auf volle m² = 36
- Komplizierter wird es, wenn Sie im selben Haus einen Tiefgaragenstellplatz z.B. mit 10/1000 haben. Dann muss in Anlage GW2 eine weitere Fläche angelegt werden mit 244 x 10/1000 = 2,44 m², abgerundet = 2 m²
- So richtig kompliziert wird es, wenn Sie z.B. bei einem Reihenhaus in der Waldstadt a) das Hausgrundstück, b) einen Anteil am Garagengrundstück mit einer anderen Flurstück-Nr. und c) vielleicht noch einen Anteil am Zuweg mit Mülltonnenplatz haben. Dann müssen schon im Hauptformular GW1 die verschiedenen Flurstücke angelegt werden.


Wie wird die neue Grundsteuer berechnet

Ganz einfach:
Grundstücksgröße x Bodenrichtwert = Grundsteuerwert (wird auf volle Hundert € nach unten abgerundet)
x Steuermesszahl (1,3 Promille bei Wohn-/Gewerbeimmobilien, 0,55 Promille bei Land- und Forstwirtschaft) = Grundsteuermessbetrag
x Hebesatz der Gemeinde (Grundsteuer B zurzeit in Karlsruhe 490 %)

Einen Rabatt von 30 % gibt es, wenn das Gebäude überwiegend oder voll zu Wohnzwecken genutzt wird, einen weiteren Rabatt von 10 % für Kulturdenkmäler. Weitere Rabatte gibt es z.B. für Sozialwohnungen nach dem Landeswohnraumförderungsgesetz.

Bodenrichtwert übertiefe Grundstücke

Insbesondere in der Nordweststadt gibt es viele "übertiefe" Grundstücke, z.B. ein Grundstück in der Hertzstraße ist 568 m² groß, es ist durchschnittlich nur 7,47 Meter breit, dafür ist es 76 Meter tief. Die Gutachterausschüsse legen die Bodenrichtwerte in der Regel für eine größere Zone fest, dabei werden die Schnitte der einzelnen Grundstücke nicht berücksichtigt. Allerdings wird meistens eine Grundstückstiefe angegeben, für die der ermittelte Bodenrichtwert gilt. Der in BorisBW für die Hertzstraße ausgewiesene Bodenrichtwert von 700 €/m² gilt nur für die ersten 40 Meter (Vorderland), der Rest ist Hinterland. Wäre das Grundstück auch im hinteren Bereich voll bebaubar, wäre der volle Bodenrichtwert für das gesamte Grundstück anzusetzen.

Der Gutachterausschuss Karlsruhe hat auf seiner Website "Ergänzungen zu den steuerlichen Bodenrichtwerten 2022" veröffentlicht. Danach ist das Hinterland zwischen 40 und 80 Metern Tiefe nur zu 33 % anzusetzen, wäre das Grundstück über 80 Meter tief, der übersteigende Teil sogar nur zu 10 %. Ohne Aufteilung läge im Beispiel Hertzstraße der Grundsteuerwert bei 568 x 700 = 397.600 €, mit Aufteilung nur bei ca. 299 x 700 + 269 x 700/3 = 272.000 € ! Wie das ins Elster-Formular eingegeben werden kann, habe ich nicht geprüft, aber bei der Differenz lohnt sich sicherlich ein Steuerberater.

Rechenbeispiele

Eigentumswohnung beim Gutenbergplatz, Grundstücksgröße 192 m², Miteigentumsanteil 114/1000, Wohnfläche 46 m², Gebäude zu 100 % wohnlich genutzt, kein Kulturdenkmal, Grundsteuer bisher rund 94 €, Hebesatz 490 %
Bodenrichtwert zum 01.01.2022 = 1.250 € (vorher 1.150 €)
Grundsteuerwert = 192 x 114/1000 x 1.250 = 27.360 -> abgerundet = 27.300 €
Grundsteuermessbetrag = Grundsteuerwert x 1,3/1000 x 0,7 = 24,84 €
Jährliche Grundsteuer = Grundsteuermessbetrag x 490/100 = 121,72 €, das entspricht einer Steigerung von knapp 30 %.

Einfamilien-Reihenmittelhaus Nordweststadt, Grundstücksgröße 284 m², Wohnfläche 152 m², Grundsteuer bisher 480 €
Neue Grundsteuer bei einem Bodenrichtwert 2022 von 710 €/m² = 284 x 710 x 1,3/1000 x 0,7 x 490/100 = 899,11 €, entspricht einer Steigerung von rund 87 %.

4-Parteien-Mehrfamilienhaus Weststadt, Grundstücksgröße 449 m², Wohnfläche 325 m², Grundsteuer bisher rund 303 €
Neue Grundsteuer bei einem Bodenrichtwert 2022 von 1.150 €/m² = 449 x 1.150 x 1,3/1000 x 0,7 x 490/100 = 2.302,18 €, entspricht dem 7,6-fachen der alten Steuer !

Wer darf Sie bei der Grundsteuererklärung unterstützen

Die Übermittlung über Elster darf auch über "Angehörige" erfolgen, ob das Finanzamt unter Angehörigen neben der Familie auch Freunde und Bekannte versteht, ist mir leider nicht bekannt. Hausverwaltungen dürfen die Steuererklärungen abgeben, aber nur, wenn sie auch die Mietverwaltung für Ihre Eigentumswohnung machen. Makler dürfen das nach dem Steuerberatungsgesetz leider nicht übernehmen. Ansonsten bleiben nur die Steuerberater, die sind aber nach ersten Stimmen aus der Presse nicht besonders begeistert davon, viel Arbeit für ein verhältnismäßig geringes Honorar zu übernehmen.

TIPP: Wenn Sie in den letzten 14 Jahren über uns eine Immobilie gekauft haben, liefern wir Ihnen kostenlos die benötigten Daten zur Immobilie, Sie benötigen dann nur noch Ihre persönlichen Daten und einen Elster-Zugang oder nach Antrag ein Papierformular.

Fazit

Die Politik hat versprochen, dass die Grundsteuerreform kostenneutral sein soll, d.h. die gesamten Grundsteuer-Einnahmen sollen ungefähr so hoch wie bisher sein. Am Beispiel Karlsruhe sieht man schon sehr deutlich, dass ein gleichbleibender Hebesatz von 490 % zu exorbitant steigenden Grundsteuern führen wird. Am Beispiel des Mehrfamilienhauses müsste jeder Mieter (die Grundsteuer wird auf den Mieter umgelegt) ab 2025 fast 42 € mehr pro Monat bezahlen - und das zu den ohnehin extrem gestiegenen Energiekosten.

Bleibt zu hoffen, dass der Karlsruher Gemeinderat einen neuen Hebesatz ab 2025 mit Augenmaß festsetzt, die Grundsteuer ist mit rund 56 Mio € (8,4 % der Steuereinnahmen) kein unwichtiger Einnahmeposten der Stadt.

Würde die Stadt den Hebesatz beispielsweise auf 250 % senken, würde die Eigentumswohnung um rund 34 % entlastet, das Einfamilienhaus würde mit -4,6 % fast gleich bleiben, für das Mehrfamilienhaus würde (nur noch) das 3,88-fache der alten Steuer fällig.

Große Grundstücke in guten Lagen werden sicherlich deutlich teurer, für kleinere Grundstücke in einfachen Lagen könnte die Grundsteuer auch merklich sinken.


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