Wertermittlung von Immobilien nach der Ertragswertrichtlinie und § 17ff ImmoWertV
Das Ertragswertverfahren wird angewandt, wenn ein Grundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter Renditegesichtspunkten gekauft wird. Es ist das Regelverfahren für Mietwohnhäuser und
Gewerbeobjekte. Bei der Bewertung von Eigentumswohnungen wird das Sachwertverfahren häufig angewandt, wenn keine ausreichende Daten von Vergleichsobjekten vorliegt.
Im allgemeinen Ertragswertverfahren wird der vorläufige Ertragswert - aus dem kapitalisierten jährlichen Reinertrag zum Wertermittlungsstichtag, der vorab um den Verzinsungsbetrag des Bodenwerts
(Bodenwertverzinsungsbetrag) vermindert wurde, zuzüglich - des Bodenwerts ermittelt. Der Ermittlung des Bodenwertverzinsungsbetrags und der Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags ist jeweils
derselbe Liegenschaftszinssatz zu Grunde zu legen. Die Kapitalisierungsdauer entspricht der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer (siehe Sachwertverfahren) der
baulichen Anlagen.
Reinertrag, Rohertrag
Der jährliche Reinertrag wird aus dem jährlichen Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten ermittelt. Mit dem Rohertrag sind in der Regel auch die Werteinflüsse der baulichen Außenanlagen und
sonstigen Anlagen erfasst. Für die Bemessung des Rohertrags sind sowohl die tatsächlich erzielten als auch die marktüblich erzielbaren Erträge zu ermitteln. Zu diesem Zweck sind die bestehenden
Miet- und Pachtverhältnisse mit ihren wesentlichen Vertragsdaten darzustellen und sachverständig zu würdigen. Ertragsbestandteile für Inventar, Zubehör u. ä. werden gegebenenfalls als besondere
objektspezifische Grundstücksmerkmale berücksichtigt. Für selbstgenutzte Flächen und bei vorübergehendem Leerstand sind die am Wertermittlungsstichtag marktüblich erzielbaren Erträge anzusetzen.
Marktüblich erzielbare Erträge sind die nach den Marktverhältnissen am Wertermittlungsstichtag für die jeweilige Nutzung vergleichbaren, durchschnittlich erzielten Erträge. Anhaltspunkte für die
Marktüblichkeit von Erträgen vergleichbar genutzter Grundstücke liefern z. B. geeignete Mietspiegel oder Mietpreisübersichten.
Für das allgemeine Ertragswertverfahren gilt:
Der Rohertrag (§ 18 Absatz 2 Satz 1 ImmoWertV) umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich erzielbaren Erträge aus dem Grundstück
Weichen die tatsächlich erzielten Erträge erheblich von den marktüblich erzielbaren Erträgen ab, ist der vorläufige Ertragswert auf der Grundlage der marktüblich erzielbaren Erträge zu ermitteln.
Diese Abweichung ist als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal zu berücksichtigen. Möglichkeiten der Anpassung der Erträge sind zu berücksichtigen. Erhebliche Abweichungen können sich
z. B. auf Grund wohnungs-, vertrags- oder Mietrechtlicher Bindungen ergeben oder bei vorhandenen Baumängeln bzw. Bauschäden oder bei Erträgen aus Werbeträgern, Mobilfunkmasten u. ä. vorliegen.
Bewirtschaftungskosten
Als Bewirtschaftungskosten sind die für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung und zulässige Nutzung entstehenden regelmäßigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die nicht durch Umlagen oder
sonstige Kostenübernahmen gedeckt sind. Dies sind die Verwaltungskosten, die Instandhaltungskosten, das Mietausfallwagnis und die Betriebskosten.
Verwaltungskosten
Verwaltungskosten umfassen insbesondere die Kosten der zur Verwaltung des Grundstücks erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht und die Kosten der
Geschäftsführung sowie den Gegenwert der von Eigentümerseite persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit Nach Anlage 1 EW-RL sind die Verwaltungskosten wie folgt anzusetzen:.
280 Euro jährlich je Wohnung bzw. je Wohngebäude bei Ein- und Zweifamilienhäusern
335 Euro jährlich je Eigentumswohnung
37 Euro jährlich je Garagen- oder Einstellplatz
Die vorstehend genannten Werte gelten für das Jahr 2015. Für abweichende Wertermittlungsstichtage sind sie zu modifizieren.
Instandhaltungskosten
Instandhaltungskosten sind Kosten, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung infolge Abnutzung oder Alterung zur Erhaltung des der Wertermittlung zu Grunde gelegten Ertragsniveaus
der baulichen Anlagen während ihrer wirtschaftlichen Restnutzungsdauer marktüblich aufgewendet werden müssen. Die Instandhaltungskosten umfassen sowohl die für die laufende Unterhaltung als
auch die für die Erneuerung einzelner baulicher Teile aufzuwendenden Kosten und sind hinsichtlich der Höhe mit ihrem langjährigen Mittel zu berücksichtigen. Zur Instandhaltung gehören
grundsätzlich auch die Schönheitsreparaturen. Sie sind jedoch nur dann anzusetzen, wenn sie vom Eigentümer zu tragen sind. Nicht zu den Instandhaltungskosten zählen Modernisierungskosten und
solche Kosten, die z. B. auf Grund unterlassener Instandhaltung erforderlich sind. Modernisierungen sind u. a. bauliche Maßnahmen, die den Gebrauchswert der baulichen Anlagen wesentlich
erhöhen, die allgemeinen Wohn- bzw. Arbeitsverhältnisse wesentlich verbessern oder eine wesentliche Einsparung von Energie oder Wasser bewirken. Nach Anlage 1 EW-RL sind die
Instandhaltungskosten wie folgt anzusetzen:
11 Euro jährlich je Quadratmeter Wohnfläche, wenn die Schönheitsreparaturen von den Mietern getragen werden
83 Euro jährlich je Garagen- oder Einstellplatz einschließlich der Kosten für Schönheitsreparaturen
Die vorstehend genannten Beträge gelten für das Jahr 2015. Für abweichende Wertermittlungsstichtage sind sie zu modifizieren.
Mietausfallwagnis
Das Mietausfallwagnis ist das Risiko einer Ertragsminderung, die durch uneinbringliche Zahlungsrückstände von Mieten, Pachten und sonstigen Einnahmen oder durch vorübergehenden Leerstand
entsteht. Es umfasst auch die durch uneinbringliche Zahlungsrückstände oder bei vorübergehendem Leerstand anfallenden, vom Eigentümer zusätzlich zu tragenden Bewirtschaftungskosten sowie die
Kosten einer Rechtsverfolgung auf Zahlung, Aufhebung eines Mietverhältnisses oder Räumung. Dauerhafter, struktureller Leerstand wird nicht vom Mietausfallwagnis erfasst. Dieser ist als
besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal zu berücksichtigen. Bei Wohngebäuden ist das Mietausfallwagnis nach Anlage 1 EW-RL mit 2 % des marktüblich erzielbaren Rohertrages anzusetzen.
Betriebskosten
Betriebskosten sind grundstücksbezogene Kosten, Abgaben und regelmäßige Aufwendungen, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Grundstücks anfallen. Diese sind nur zu berücksichtigen,
soweit sie nicht vom Eigentümer umgelegt werden können. Eine Aufstellung der umlagefähigen Betriebskosten für Wohnraum enthält § 2 der Betriebskostenverordnung.
Liegenschaftszinssatz
Die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der Entwicklung der allgemeinen Ertrags- und Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt werden mit dem Liegenschaftszinssatz erfasst. Die
Verwendung des angemessenen und nutzungstypischen Liegenschaftszinssatzes dient insbesondere der Marktanpassung. Liegenschaftszinssätze werden auf der Grundlage geeigneter Kaufpreise von
für die jeweilige Nutzungsart typischen gleichartig bebauten und genutzten Grundstücken und den ihnen entsprechenden Reinerträgen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer
ermittelt. Dabei sind die Kaufpreise um die Werteinflüsse besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale zu bereinigen. Im Rahmen der Ertragswertermittlung ist der angemessene
nutzungstypische Liegenschaftszinssatz zu verwenden. Hierbei gelten folgende Grundsätze:
Vorrangig sind die vom örtlichen Gutachterausschuss für Grundstückswerte ermittelten und veröffentlichten Liegenschaftszinssätze heranzuziehen
Wird vom Gutachterausschuss für das Wertermittlungsobjekt kein geeigneter Liegenschaftszinssatz zur Verfügung gestellt, können Liegenschaftszinssätze aus vergleichbaren Gebieten verwendet
werden, sofern Abweichungen in den regionalen und allgemeinen Marktverhältnissen marktgerecht berücksichtigt werden können
Stehen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung, kann der Liegenschaftszinssatz unter Berücksichtigung der regionalen Marktverhältnisse sachverständig geschätzt werden. Dabei
können auch Liegenschaftszinssätze aus anderen Quellen berücksichtigt werden, wenn sie hinsichtlich Aktualität und Repräsentativität den für die jeweilige Grundstücksart maßgeblichen
Grundstücksmarkt zutreffend abbilden und ihre Ableitung ausreichend nachvollziehbar dargelegt ist. In diesen Fällen ist der Liegenschaftszinssatz besonders, d. h. über das allgemeine
Begründungserfordernis hinaus, zu begründen
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind vom Üblichen erheblich abweichende Merkmale des einzelnen Wertermittlungsobjekts. Die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale
sind durch Zu- oder Abschläge nach der Marktanpassung gesondert zu berücksichtigen, wenn ihnen der Grundstücksmarkt einen eigenständigen Werteinfluss beimisst und sie im bisherigen Verfahren
noch nicht erfasst und berücksichtigt wurden. Die Ermittlung der Werterhöhung bzw. Wertminderung hat marktgerecht zu erfolgen und ist zu begründen. Werden zusätzlich weitere
Wertermittlungsverfahren angewandt, sind die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale - soweit möglich – in allen Verfahren identisch anzusetzen (siehe auch Sachwertverfahren).
Marktanpassung
Die Lage auf dem Grundstücksmarkt findet bei Anwendung des Ertragswertverfahrens insbesondere dadurch Berücksichtigung, dass die Ertragsverhältnisse und der Liegenschaftszinssatz marktüblich
angesetzt werden. Eine zusätzliche Marktanpassung ist daher in der Regel nicht notwendig, kann jedoch erforderlich sein, wenn der verwendete Liegenschaftszinssatz oder die sonstigen Daten die
Marktverhältnisse für das Wertermittlungsobjekt nicht detailliert oder aktuell genug wiedergeben. In diesen Fällen sind auf Grund ergänzender Analysen und sachverständiger Würdigung Zu- oder
Abschläge vorzunehmen. Eine zusätzliche Marktanpassung ist besonders zu begründen.
Der Ertragswert
Der Ertragswert ergibt sich aus dem marktangepassten vorläufigen Ertragswert und der gegebenenfalls erforderlichen Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale. Der
Ertragswert entspricht in der Regel dem Verkehrswert und ist wie gegebenenfalls auch die aus zusätzlich angewandten Wertermittlungsverfahren abweichenden Ergebnisse bei der Ermittlung des
Verkehrswerts entsprechend seiner oder ihrer Aussagefähigkeit zu würdigen.
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