Wertermittlung von Immobilien nach der Sachwertrichtlinie und § 21ff ImmoWertV
Das Sachwertverfahren wird in der Regel angewandt, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht der Ertrag eines Grundstücks, sondern sein Wert oder
die Herstellungskosten im Vordergrund stehen. Dies ist vor allen Dingen dann gegeben, wenn das Grundstück eigengenutzt wird (Ein- oder
Zweifamilienhaus) oder wenn kein Ertrag erzielt wird (z.B. öffentliche Gebäude).
Der Sachwert setzt sich aus dem Wert der baulichen Anlagen, dem Wert der sonstigen Anlagen und dem Bodenwert zusammen. Zu den baulichen Anlagen zählen
Gebäude, bauliche Außenanlagen (Wege, Einfriedungen usw.) und besondere Betriebseinrichtungen (z.B. Tankanlagen). Sonstige Anlagen sind insbesondere
Gartenanlagen und Anpflanzungen. Ihr Wertanteil ist nur dann gesondert zu ermitteln, soweit sie nicht bereits im Bodenwert enthalten sind. Der
Wertanteil der besonderen Betriebseinrichtungen ist auch nur dann gesondert zu ermitteln, sofern diese nicht bereits mit den nach §22 ImmoWertV
angesetzten Normalherstellungskosten berücksichtigt wurden. Zur Ermittlung des Herstellungswertes der baulichen Anlagen sind die gewöhnlichen
Herstellungskosten je Flächeneinheit (Normalherstellungskosten) heranzuziehen. Dazu gehören auch die Baunebenkosten (Architekt, Baugenehmigung, usw.)
Für mit Ein- und Zwei- und Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke werden in der Regel die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
veröffentlichten Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010) und die Bruttogrundfläche (BGF) des Gebäudes verwendet. Mit Hilfe geeigneter
Baupreisindexreihen der Statistischen Landesämter werden die ermittelten Preise vom Jahr 2010 auf den Wertermittlungsstichtag umgerechnet.
Anschließend sind die Wertminderung wegen Alters, sowie Baumängel und Bauschäden und sonstige Wert beeinflussende Umstände zu ermitteln.
Herstellungskosten
Zur Ermittlung des Sachwerts der baulichen Anlagen (ohne Außenanlagen) ist von den Herstellungskosten auszugehen, die unter Beachtung wirtschaftlicher
Gesichtspunkte für die Errichtung eines dem Wertermittlungsobjekt in vergleichbarer Weise nutzbaren Neubaus am Wertermittlungsstichtag (ggf. unter
Berücksichtigung abweichender Qualitäten am Qualitätsstichtag) unter Zugrundelegung neuzeitlicher, wirtschaftlicher Bauweisen aufzuwenden wären, und
nicht von Rekonstruktionskosten. Der Ermittlung der Herstellungskosten eines Gebäudes können zu Grunde gelegt werden:
vorrangig die Normalherstellungskosten 2010, das heißt die gewöhnlichen Herstellungskosten, die für die jeweilige Gebäudeart unter Berücksichtigung
des Gebäudestandards je Flächeneinheit angegeben sind
soweit die entsprechende Gebäudeart in den NHK 2010 nicht erfasst ist, geeignete andere Datensammlungen
ausnahmsweise Einzelkosten, das heißt die gewöhnlichen Herstellungskosten einzelner Bauleistungen
Bei der Ermittlung des Flächen- oder ggf. des Rauminhalts sind die den Herstellungskosten zu Grunde gelegten Berechnungsvorschriften anzuwenden.
NHK 2010
Die NHK 2010 enthalten neben den Kostenkennwerten weitere Angaben zu der jeweiligen Gebäudeart, wie Angaben zur Höhe der eingerechneten Baunebenkosten,
teilweise Korrekturfaktoren sowie teilweise weitergehende Erläuterungen.
Es ist der Kostenkennwert zu Grunde zu legen, der dem Wertermittlungsobjekt nach Gebäudeart und Gebäudestandard hinreichend entspricht. Sind Gebäude
nachhaltig umgenutzt worden, so ist bei der Zuordnung zu einem Kostenkennwert auf die aktuelle Nutzung abzustellen. Hat ein Gebäude in Teilbereichen
erheblich voneinander abweichende Standardmerkmale oder unterschiedliche Nutzungen, kann es sinnvoll sein, die Herstellungskosten getrennt nach
Teilbereichen zu ermitteln.
Die Kostenkennwerte der NHK 2010 sind in Euro/m² Brutto-Grundfläche (€/m² BGF) angegeben. Sie erfassen die Kostengruppen 300 und 400 der DIN 276. In
ihnen sind die Umsatzsteuer und die üblichen Baunebenkosten (Kostengruppen 730 und 771 der DIN 276) eingerechnet. Sie sind bezogen auf den Kostenstand
des Jahres 2010 (Jahresdurchschnitt).
Die NHK 2010 unterscheiden bei den einzelnen Gebäudearten zwischen verschiedenen Standardstufen. Das Wertermittlungsobjekt ist dementsprechend auf
der Grundlage seiner Standardmerkmale zu qualifizieren. Die Einordnung zu einer Standardstufe ist insbesondere abhängig vom Stand der technischen
Entwicklung und den bestehenden rechtlichen Anforderungen am Wertermittlungsstichtag. Sie hat unter Berücksichtigung der für das jeweilige
Wertermittlungsobjekt am Wertermittlungsstichtag relevanten Marktverhältnisse zu erfolgen. Dafür sind die Qualität der verwandten Materialien und der
Bauausführung, die energetischen Eigenschaften sowie solche Standardmerkmale, die für die jeweilige Nutzungs- und Gebäudeart besonders relevant sind,
wie z. B. Schallschutz oder Aufzugsanlagen in Mehrfamilienhäusern von Bedeutung. Bei freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern, Doppelhäusern und
Reihenhäusern enthalten die NHK 2010 zwei weitere Standardstufen (1 und 2) mit Kostenkennwerten für Gebäude, deren Standardmerkmale zwar nicht mehr
zeitgemäß sind, aber dennoch eine zweckentsprechende Nutzung des Gebäudes erlauben. Bei den übrigen Gebäudearten ist bei nicht mehr zeitgemäßen
Standardmerkmalen ein entsprechender Abschlag sachverständig vorzunehmen.
Korrekturfaktoren
In den NHK 2010 sind teilweise Korrekturfaktoren angegeben (z.B. Zuschlag von 5 % für freistehende Zweifamilienhäuser), die eine Anpassung des
jeweiligen Kostenkennwerts wegen der speziellen Merkmale des Bewertungsobjekts erlauben.
BGF
Die Kostenkennwerte der NHK 2010 beziehen sich auf den Quadratmeter Brutto-Grundfläche (BGF). Die BGF ist die Summe der bezogen auf die jeweilige
Gebäudeart marktüblich nutzbaren Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks.
Indizierung auf den Wertermittlungsstichtag
Die aus den Kostenkennwerten der NHK 2010 ermittelten Herstellungskosten sind auf den Wertermittlungsstichtag zu beziehen. Hierzu ist der für den
Wertermittlungsstichtag aktuelle und für die jeweilige Gebäudeart zutreffende Preisindex für die Bauwirtschaft des Statistischen Bundesamtes
(Baupreisindex) mit dem entsprechenden Basisjahr zu verwenden. Mit der Verwendung des Baupreisindex wird auch eine ggf. erfolgte Umsatzsteueränderung
berücksichtigt.
Außenanlagen
Zu den baulichen Außenanlagen zählen z. B. befestigte Wege und Plätze, Verund Entsorgungseinrichtungen auf dem Grundstück und Einfriedungen. Zu den
sonstigen Anlagen zählen insbesondere Gartenanlagen. Soweit wertrelevant und nicht anderweitig erfasst, sind die Sachwerte der für die jeweilige
Gebäudeart üblichen baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen nach Erfahrungssätzen oder nach den gewöhnlichen Herstellungskosten zu ermitteln.
Werden die gewöhnlichen Herstellungskosten zu Grunde gelegt, ist eine Alterswertminderung anzusetzen, wobei sich die Restnutzungsdauer in der Regel an
der Restnutzungsdauer der baulichen Anlage orientiert. Soweit diese Anlagen erheblich vom Üblichen abweichen, ist ggf. ihr Werteinfluss als besonderes
objektspezifisches Grundstücksmerkmal nach der Marktanpassung zu berücksichtigen.
Abschreibung
Die auf der Grundlage der NHK 2010 unter Berücksichtigung der entsprechenden Korrekturfaktoren und mit Hilfe des Baupreisindexes auf den
Wertermittlungsstichtag bezogenen Herstellungskosten entsprechen denen eines neu errichteten Gebäudes gleicher Gebäudeart. Soweit es sich nicht um
einen Neubau handelt, müssen diese Herstellungskosten unter Berücksichtigung des Verhältnisses der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer zur
Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes gemindert werden (Alterswertminderung). Dabei wird der für die jeweilige Gebäudeart angesetzten Gesamtnutzungsdauer
die ggf. durch Instandsetzung oder Modernisierungen verlängerte oder durch unterlassene Instandhaltung oder andere Gegebenheiten verkürzte
Restnutzungsdauer gegenübergestellt.
Gesamtnutzungsdauer/Restnutzungsdauer
Die anzusetzende Gesamtnutzungsdauer ist eine Modellgröße. Anlage 3 SW-RL enthält hierzu Orientierungswerte, die die Gebäudeart berücksichtigen. Die
Restnutzungsdauer wird grundsätzlich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes am Wertermittlungsstichtag
ermittelt. Das Ergebnis ist daraufhin zu prüfen, ob es dem Zeitraum entspricht, in dem das Gebäude bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich
noch wirtschaftlich genutzt werden kann (wirtschaftliche Restnutzungsdauer), wobei die rechtliche Zulässigkeit der angesetzten Nutzung vorausgesetzt
wird. Für Gebäude, die modernisiert wurden, kann von einer entsprechend längeren wirtschaftlichen (modifizierten) Restnutzungsdauer ausgegangen werden.
Für die Ermittlung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer bei Wohngebäuden kann auf das in Anlage 4 SW-RL beschriebene Modell zurückgegriffen werden,
mit dem ggf. durchgeführte Modernisierungen berücksichtigt werden können. Eine unterlassene Instandhaltung wird in der Regel als Bauschaden
berücksichtigt. In gravierenden Fällen verringert sich die wirtschaftliche Restnutzungsdauer. Die längere oder verringerte wirtschaftliche
Restnutzungsdauer verändert nicht die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes.
Marktanpassung - Sachwertfaktoren
Zur Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt einschließlich der regionalen Baupreisverhältnisse ist der im Wesentlichen nur kostenorientierte
vorläufige Sachwert an die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem örtlichen Grundstücksmarkt anzupassen. Hierzu ist der vorläufige Sachwert mit dem
zutreffenden Sachwertfaktor zu multiplizieren, der aus dem Verhältnis geeigneter Kaufpreise zu entsprechenden vorläufigen Sachwerten ermittelt wird.
In Abhängigkeit von den maßgeblichen Verhältnissen am örtlichen Grundstücksmarkt kann auch ein relativ hoher oder niedriger Sachwertfaktor sachgerecht
sein. Kann vom Gutachterausschuss kein zutreffender Sachwertfaktor zur Verfügung gestellt werden, können hilfsweise Sachwertfaktoren aus vergleichbaren
Gebieten herangezogen oder ausnahmsweise die Marktanpassung unter Berücksichtigung der regionalen Marktverhältnisse sachverständig geschätzt werden;
in diesen Fällen ist die Marktanpassung besonders zu begründen. Sachwertfaktoren werden von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der
Grundlage von Kaufpreisen von für die jeweilige Gebäudeart typischen Grundstücken ermittelt. Dabei sind die Einflüsse besonderer objektspezifischer
Grundstücksmerkmale zu eliminieren.
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind wertbeeinflussende Umstände des einzelnen Wertermittlungsobjekts, die erheblich vom Üblichen
abweichen und denen der Grundstücksmarkt einen eigenständigen Werteinfluss beimisst. Soweit sie im bisherigen Verfahren noch nicht erfasst und
berücksichtigt wurden, sind sie durch Zu- oder Abschläge regelmäßig nach der Marktanpassung gesondert zu berücksichtigen. Die Ermittlung der
Werterhöhung bzw. Wertminderung hat marktgerecht zu erfolgen und ist zu begründen. Werden zusätzlich weitere Wertermittlungsverfahren durchgeführt,
sind die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale, soweit möglich, in allen Verfahren identisch anzusetzen.
Besondere Ertragsverhältnisse
Weist das Wertermittlungsobjekt vom Üblichen erheblich abweichende Erträge auf, ist dieser Umstand wertmindernd oder werterhöhend zu berücksichtigen.
Die Wertminderung bzw. Werterhöhung ist nach den Grundsätzen des ErtragswertVerfahrens zu ermitteln.
Baumängel und Bauschäden
Wertminderungen auf Grund von Baumängeln und/oder Bauschäden können
durch Abschläge nach Erfahrungswerten
unter Zugrundelegung von Bauteiltabellen
oder auf der Grundlage von Schadensbeseitigungskosten berücksichtigt werden. Ein Abzug der vollen Schadensbeseitigungskosten kommt nur in Betracht,
wenn der Schaden unverzüglich beseitigt werden muss. Dabei ist ggf. ein Vorteilsausgleich („neu für alt“) vorzunehmen.
Wirtschaftliche Überalterung
Ausnahmsweise kommt zusätzlich zum Ansatz der Alterswertminderung ein Abschlag wegen wirtschaftlicher Überalterung in Betracht, wenn das
Bewertungsobjekt nur noch eingeschränkt verwendungsfähig bzw. marktgängig ist. Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Überalterung sind z. B.
erhebliche Ausstattungsmängel, unzweckmäßige Gebäudegrundrisse und eine unzweckmäßige Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück.
Überdurchschnittlicher Erhaltungszustand
Ausnahmsweise kommt ein Zuschlag wegen überdurchschnittlichen Erhaltungszustands in Betracht, wenn sich das Bewertungsobjekt in einem besonders
gepflegten Zustand befindet. In Abgrenzung zur Modernisierung handelt es sich hier um über das übliche Maß hinausgehende Instandhaltungsmaßnahmen,
die in ihrer Gesamtheit zwar das Erscheinungsbild des Bewertungsobjekts überdurchschnittlich positiv beeinflussen, jedoch keine Erhöhung der
Restnutzungsdauer bewirken.
Freilegungskosten
Bei Freilegungs-, Teilabriss- und Sicherungsmaßnahmen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderlich sind und noch nicht bei der Ermittlung
des Bodenwerts berücksichtigt wurden, sind ggf.
die anfallenden Kosten
die Verwertungserlöse für abgängige Bauteile
und die ersparten Baukosten durch die Verwendung vorhandener Bauteile
zu berücksichtigen.
Bodenverunreinigungen
Bodenverunreinigungen können vorliegen bei schädlichen Bodenveränderungen, Verdachtsflächen, Altlasten und altlastenverdächtigen Flächen. Die
Wertminderung von entsprechenden Grundstücken kann in Anlehnung an die Kosten ermittelt werden, die für eine Sanierung, Sicherungsmaßnahmen,
Bodenuntersuchungen oder andere geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Der Umfang des hierfür erforderlichen Aufwands hat sich an
der baurechtlich zulässigen bzw. marktüblichen Nutzung des Grundstücks zu orientieren
Grundstücksbezogene Rechte und Belastungen
Grundstücksbezogene Rechte oder Belastungen können die zulässige wirtschaftliche Nutzung bzw. die Ertragsfähigkeit von Grundstücken mehr oder weniger
stark beeinflussen. Neben dem Erbbaurecht können insbesondere folgende, im BGB geregelte Rechte und Belastungen Einfluss auf den Wert eines Grundstücks
haben:
Zu den nicht im BGB geregelten Rechten oder Belastungen, die den Wert eines Grundstücks beeinflussen können, gehören z.B. die Dauerwohn- und
Dauernutzungsrechte (§§ 31 ff. WEG) sowie öffentlich-rechtliche Verpflichtungen wie Baulasten oder Nutzungsbeschränkungen nach den Vorschriften
zum Denkmal- und Naturschutz.
Eine Reallast (z.B. im Rahmen des Altenteilsrechts: u.a. Pflegeverpflichtung, Zahlung einer Rente, Lieferung von Nahrung, Energie, Wasser u.ä.) gewährt
kein unmittelbares Nutzungsrecht am Grundstück. Das Grundstück haftet jedoch für die Entrichtung der Leistungen. Nur soweit die Reallast nicht abgelöst
wird, kann ein Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks bestehen.
Rechte oder Belastungen (z.B. Vorkaufsrechte) sowie schuldrechtliche Verpflichtungen (zu Geld- oder Pflegeleistungen) ohne dingliche Sicherung, die mit
der Nutzung des Grundstücks nicht im Zusammenhang stehen, haben in der Regel keinen messbaren Einfluss auf den Vekehrswert. Entscheidend für die
Beeinträchtigung des Grundstücks ist nicht nur die rechtlich mögliche, sondern auch die tatsächlich vorhandene sowie die absehbare Inanspruchnahme und
die Auswirkung auf das gesamte Grundstück.
Hinsichtlich der Ermittlung der Auswirkungen von grundstücksbezogenen Rechten und Belastungen wird auf Nummer 4 verweist die SW-RL auf die Vorschriften
der WertR 2006.
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